Das Wochenhoroskop

Personen: (2) Hubert,
Nelli
Spieldauer: ca. 14 Minuten
Szene: Ein Wohnzimmer. Hubert ist mit schriftlichen Arbeiten beschäftigt. Draußen schellt es.
Hubert: (unwillig) Kann man denn nicht einmal fünf Minuten Ruhe haben? Erst das Brot - (geht zur Tür) dann der Milchmann - fehlt nur noch, daß jetzt einer draußen steht und sagt, er hätte an der falschen Tür geklingelt! (geht hinaus und kommt gleich darauf mit einigen Briefen in der Hand herein) Der Breifträger! Viel wirds nicht sein. (öffnet einen Brief) Reiner und Co.! Eine Rechnung. Können noch warten. (öffnet den nächsten) Firma Finstral? Haben vor drei Wochen erste eine Rate bekommen. Werden sich gedulden müssen. (besieht einen weiteren Brief) Wolf und Söhne? Lohnt sich ja gar nicht zu öffnen! (wirft die bisher gesichteten Briefe auf den Tisch) Erst muß ich mit Huber klar sein. Eh' der nicht blecht, kann ich nichts auf den Tisch legen. betrachtet einen weiteren Brief)Mein Rechtsanwalt? Was will denn der? (öffnet den Brief und liest) In der Sache - (murmelt) gegen Busse findet am... (hier kann eine beliebiges Datum eingesetzt werden) um... (idem) im Zimmer 56 des hiesigen Amtsgerichtes die Verhandlung statt. (lässig) Das hat er mir doch gestern schon telefonisch mitgeteilt. Blödsinn, mir das auch noch brieflich zu geben! Kostet doch nur mein Porto! Soll lieber den Prozess gewinnen, damit ich mein Geld hereinbekomme! (wirft auch diesen Brief auf den Tisch. Draußen schellt es wieder) Wer ist denn das schon wieder? (geht hinaus und kommt gleich darauf mit seiner Frau Nelli herein)
Nelli: (mit einer vollen Einkaufstasche in der Hand) Komm, Hubertchen! Nimm mir die Tasche ab! Ich muß gleich noch einmal hinunter! (frisch) Herr Dalfovo hat wunderbaren Karfiol, und so billig!
Hubert: (mißmutig) Ich will keinen Karfiol!
Nelli: (lockend) Mit brauner Butter übergossen?
Hubert: Auch nicht mit brauner Butter! (weist auf die Briefe) Bei diesen Rechnugnen vergeht mir die Butter.
Nelli: (stellt die Einkaufstasche ab) Aber, Hubert! Die paar lumpigen Rechnungen! Andere Leute spielen mit Millionenbeträgen! Du bist viel zu bescheiden.
Hubert: (erregt) Also, jetzt verstehe ich dich nicht, Nelli! Sonst bist du pedantisch darauf bedacht, möglichst wenig Schulden zu machen, und plötzlich willst du nach Karfiol rennen, den wir uns sonst unter gleichen Umständen versagen?
Nelli: (schmollend) Was hast du denn, Liebster? Die Briefe sind doch kein Grund, sich aufzuregen?
Hubert: (zeigt ihr den Brief seines Anwalts) Kein Grund? Wenn das kein Grund sein soll! Morgen ist die Verhandlung gegen Huber!
Nelli: Ich weiß! Ich weiß, mein Schätzchen. Deswegen rief dich dein Anwalt doch gestern schon an. Aber gerade das, finde ich, ist ein herrlicher Anlass, sich zu freuen.
Hubert: Ja, bist du denn nicht mehr gescheid, Kind? Soll ich etwa vor Freude an die Decke springen, weil dieser mit allen Wassern gewaschene Huber sich morgen sicher wieder als der Überlegenere erweist und mich leer ausgehen läßt?
Nelli: Was du dir nur für Sorgen machst! (streicht ihm übers Haar) Ach! Ach! Ach! Das ganze Gegenteil! Man wird dir Recht geben! Hast du nicht den Vertrag als Beweis? Na, also!
Hubert: Der Bursche hat sich schon einmal aus der Schlinge gezogen. Ja, ja, du nimmst das viel zu leicht. Man müßte nur wissen, was er im Schilde führt.
Nelli: (wühlt in ihrer Einkaufstasche herum) Du kannst ganz unbesorgt sein, Liebster! Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, daß du morgen gewinnst! Huber wird weich, in den Knien! (zieht eine Zeitung hervor)
Hubert: Wie denn? Hast du etwas läuten hören?
Nelli: (reicht ihm die Zeitung hin) Da! Sieh, was ich da mitgebracht habe! Die "Familienpost"!
Hubert: Was soll ich denn damit?
Nelli: Schatzi, begreifst du denn nicht? Hier drinnen steht es doch schwarz auf weiß!(schlägt die Zeitung auf)
Hubert: Was denn? Etwas über Huber?
Nelli: Aber, nein! (liest) Lebensrhytmen für die Zeit vom... (hier ist die entsprechende Zeit des Wochenanfanges und -endes einzusetzen) bis zum ...
Hubert: (enttäuscht) Ach, lass mich doch mit diesem Unsinn zufrieden! Diese Horoskope sind doch Blädsinn! Damit kann ich doch keinen Prozess gewinnen!
Nelli: (energisch) Doch! Doch! Doch! Du darfst nicht immer gleich alles ablehnen. Heutzutage interessiert sich doch jeder für sein Horoskop! Die englische Königin selbst läßt sich ihr Horoskop stellen! Überhaupt: Wer auf Draht ist, handelt nach seinem Horoskop!
Hubert: (zögernd) Ach, das sind Redensarten.
Nelli: (läßt nicht locker) Du bist ein kleiner Dummkopf! Ali Kahn! Die Tochter! Alle! Alle! Zehn Dutzend kann ich dir an den Fingern aufzählen! Frau Rubner unten hat mir erst gestern ein paar Fälle erzählt, also einfach toll! Vorteile sind da herausgeholt worden - na, ich kann mir nicht alles so merken - da steht man einfach Kopf!
Hubert: Von mir aus.
Nelli: Man kann's doch auch einmal versuchen?
Hubert: (lächelnd) Sie haben alle keinen Herrn Huber zum Gegner, Kind.
Nelli: (verächtlich) Huber! Huber! Huber ist ein Würstchen! Paß auf, wie schnell du obenauf bist! Du wirst ihm das Geld, welches er dir schuldet, nur so aus der Nase ziehen! Samt Zinsen!
Hubert: Wenn man dir so zuhört, bildet man sich selbst ein, daß es so ausgehen muß, wie du sagst.
Nelli: Na, endlich! (über die Zeitung gebeugt) Schau dir doch nur deinen Monat an, Hubertchen! Eine wahre Pracht und Wonne! (stolz) Ja, ja, wenn dein Frauchen nicht wäre! Aber ich wußte ja, daß ich dich überzeugen würde!
Hubert: Nun lass sehen, was da steht!
Nelli: (stellt sich lachend mit dem Rücken vor die Zeitung) Was meinst du, was dir diese Woche verspricht?
Hubert: (versucht, sie beiseite zu schieben) Na, komm schon!
Nelli: Nicht so stürmisch, Liebster! Erst: Was krieg ich zur Belohnung?
Hubert: (ungeduldig) Was willst du denn schon wieder?
Nelli: Mindestens eine Schachtel Pralinen.
Hubert: Auch das noch! (Er will sie beiseite schieben)
Nelli: (wiedersetzt sich) Du bist geizig!
Hubert: Ansprüche stellst du!
Nelli: (schelmisch) Will ich erst noch stellen.
Hubert: (zieht sie zärtlich an der Nase) Schlingel!
Nelli: Gewährt?
Hubert: Na, schön - gewährt! (indem sie ihn schon in die Zeitung hineinschauen lässt)Das heißt, wenn dieser Huber zahlt.
Nelli: (verdeckt ihm nochmals die Zeitung, schmollend) Also! Du zweifelst immer noch?
Hubert: (nachgiebig) Du weißt doch, dass ich dir nichts abschlagen kann.
Nelli: (tätschelt ihm zärtlich die Wange) Danke!
Hubert: (über die Zeitung gebeugt, schon halb dabei) Wo ist denn mein Monat?
Nelli: Da! Widder!
Hubert: Natürlich! (liest) Nach zwei anfänglich ruhigen Tagen der Woche, die sie klugerweise zu gründlichen Vorbereitungen nutzen sollten -
Nelli: Das hast du doch?
Hubert: Natürlich! (fährt fort) - dürften am... (hier ist das Datum der Verhandlung einzusetzen) für sie die besten Aussichten zu verzeichnen sein.
Nelli: (fällt ihm um den Hals) Ist das nicht herrlich? (stolz) Bismarck war übrigens auch Widder! Wie du!
Hubert: (ungeduldig) Laß mich weitersehen! (liest) Im Zusammenhang mit Verträgen und Abmachungen dürfen sie mit den günstigsten Tendenzen rechnen.
Nelli: (hüpft vor Freude) Hubert! Berechtigt das nicht zu den schönsten Hoffnungen? Dieser ekelhafte Huber wird dir alles auf Heller und Pfennig zurückzahlen!
Hubert: Moment, da steht noch etwas!
Nelli: (voller Ernst) Ach, ja! Das Wichtigste kommt ja noch! Und jetzt schön langsam lesen, Hubert!
Hubert: (bedächtig) Behördengänge dürfen an diesen Tagen - mit - größtem - Optimismus -
Nelli: (wiederholt) Größtem Optimismus!
Hubert: - unternommen werden.
Nelli: ist das nicht großartig? Jetzt bist du doch hoffentlich überzeugt? (unvermittelt)Du! Ich habe Schnitzel mitgebracht! Darum wollte ich gern noch Karfiol dazu holen.
Hubert: (fährt sich über die Augen, als müßte er alles nochmals überdenken) Wir haben doch das Geld noch nicht.
Nelli: Aber Hubert! Wo du den Prozess bestimmt gewinnst! (ein wenig kleinlaut) Ich habe anschreiben lassen. Der Metzger hat es mir ja direkt angeboten. Ich kann doch den Guten nicht beleidigen. Zu guter letzt denkt er, wir haben wirklich kein Geld. Das ist doch peinlich.
Hubert: (droht ihr lachend) Du Verschwenderin!
Nelli: (weist auf die Zeitung) Wir sind noch gar nicht fertig, Hubert! Am Schluß stehen noch Glückszahlen!
Hubert: (nimmt die Zeitung wieder vor) Tatsächlich? (liest) Sie können in allen amtlichen Angelegenheiten mit Chancen rechnen, die ihrem - Geldbeutel -
Nelli: Toll, oder!
Hubert: - die ihrem Geldbeutel zugute kommen.
Nelli: Was sagst du nun? (packt weiter Sachen aus der Einkaufstasche aus) Oder glaubst du, ich hätte sonst aufs Geratewohl eingekauft?
Hubert: (starrt auf die Zeitung) Ich kann es einfach nicht glauben.
Nelli: (unbeirrt optimistisch) Du hast es doch gedruckt vor dir liegen? Da gibt es wohl nichts mehr daran zu rütteln?
Hubert: An sich zwar nicht.
Nelli: (beschwingt) Du, Hubert! Ich habe mir die hellgrauen Schuhe mitgebracht, die ich dir vorgestern zeigte. (schmeichelnd) Weil du doch sowiso das Geld bekommst!
Hubert: War das nicht etwas voreilig, Kind? Ich muß dir ehrlich gestehen, daß ich gar nicht mehr an die Klage gegen Huber dachte.
Nelli: Aber ich! Als ich einkaufen ging, habe ich zuerst die Familienpost mitgenommen, und da las ich alles! Ich weiß doch, daß das Horoskop darin steht. (beglückt) Ich habe die Schuhe ganz leicht auf Kredit bekommen. (zeigt sie ihm) Hübsch, nicht wahr? (greift wieder in die Einkaufstasche) Und zwei Flaschen Wein habe ich auch mitgerbacht.
Hubert: (überrascht) Wozu denn? Wir wollten doch keine Feier veranstalten.
Nelli: (unbeirrt) Daß ihr Männer so gar kein bißchen Romantik mehr aufbringt! Früher wurde tagelang gefeiert, wenn man einen Prozess gewonnen hatte! Außerdem haben wir tagelang gefeiert, wenn man einen Prozess gewonnen hatte! Außerdem haben wir lange schon keinen mehr getrunken. (stellt die Flaschen auf den Tisch)
Hubert: (kopfschüttelnd) Karfiol - Schnitzel - Schuhe -Wein?
Nelli: Bei so einen Horoskop! Schau dir doch nur erst die Glückszahlen an! ... (hier ist das Tagesdatum der Verhandlung einzusetzen) Das Datum des morgigen Tages! ... (eine dem Alter des Spielers angemessene Zahl) Dein Lebensalter! Hier steht noch die Zahl 56. Was könnte das denn sein?
Hubert: (betont) 56? Die Verhandlung findet in Zimmer 56 statt! (nimmt den Brief seines Anwalts vor) Da!
Nelli: (begeistert) Mein Widderchen!
Hubert: Diese Treffsicherheit jagt einem ja geradezu Angst ein!
Nelli: (nüchtern) Wie hoch ist denn die Summe, die du von Huber bekommst?
Hubert: Moment! (wühlt in den Papieren, welche auf dem Tisch liegen)
Nelli: Es muß doch ein ganz schöner Batzen sein?
Hubert: (dämpfend) Na, na - wenn man alle Verpflichtungen abzieht und deine Schulden!
Nelli: (unbeschwert) Ach, Hubertchen! Die paar Kleinigkeiten! (schmeichelnd) Weißt du, bei Reifer und Co. habe ich einen Pullover gesehen - also, einfach ein Gedicht! Die neuen Schuhe und - (zieht einen Pullover aus der Tasche) der Pullover! Gelt, du hast doch nichts dagegen, (hält ihn ihm entgegen) wenn ich mir den Pullover?
Hubert: (ein wenig müde) Auch auf Kredit?
Nelli: Aber, Schatz! Wo du doch morgen den Prozess gewinnst! (hält sich den Pullover an)
Hubert: (suchend) Ich hatte es doch vorhin in der Hand?
Nelli: Zweiunddreißig Mark! Das ist doch spottbillig für diesen Pullover!
Hubert: (ergibt sich in sein Geschick) Na, ja. (blättert in einem Schriftstück) Da hab ich's!
Nelli: (ist mit ihren Sachen beschäftigt) Du liebes, gutes Widdermännchen, du!
Hubert: Im Vertrage steh also: (liest) Ich, Egon Artur Friedrich Hubert - (stutzt zunächst, dann treten ihm fast die Augen aus dem Kopf) - Hubert - geboren am -(stöhnt)
Nelli: (geht mit dem angehaltenen Pullover vor einem Spiegel auf und ab) Er ist doch wirklich cick! (Hubert ringt nach Luft) Was hast du denn, mein süßes kleines Widderchen?
Hubert: (pfeffert das Schreiben auf den Tisch) Huber - (bearbeitet sich die Stirn mit den Fäusten)
Nelli: (betroffen) Na, und?
Hubert: (fällt in sich zusammen) Ist auch Widder! (Nelli läßt wortlos den Pullover fallen und starrt ihren Mann entgeistert an, der sich erstaunlich schnell wieder gefasst hat) Herrlich, so ein Horoskop! Findest du nicht auch? (faßt ermunternd ihre Hand) Und du wolltest diese kleine Hand dafür ins Feuer legen?
Nelli: (schaut ihn erschrocken an) Hubert!
Hubert: (deutet auf die Einkaufstasche) Du hast wohl noch etwas auszupacken vergessen?
Nelli: (überhört diesen Vorwurf) Aber Hubert ist doch viel älter als du! Da hat er doch eine Glückszahl weniger?
Hubert: (gibt sich einen Ruck und sagt mit einem scherzhaften Unterton) Wir sind beide gleich alt! - Ach was! Da müssen wir uns doch wohl für den morgigen Tag wappnen? Geh rasch und hol deinen Karfiol!
Nelli: (macht ein paar Schritte zur Tür hin, dann zögernd zu Hubert) Auf Kredit?
Hubert: Natürlich! Geld kommt her, so oder so! Zahlt Huber nicht, verklagen wir die "Familienpost" wegen vorsätzlicher Irreführung!